Dritte Periode (1933–1945)
Für die Zeit ab 1933 gilt für die Universitätsbibliothek, was auch sonst gesellschaftlich durch die regierende Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei (NSDAP) Realität wurde: Politische Gegner wurden verfolgt und auch ermordet, als jüdisch ausgegrenzte Mitbürger sukzessiv ihrer Rechte beraubt und ebenfalls an Leib und Leben bedroht. Die als Staat und im Staat machthabende Partei machte ihren Einfluss geltend und sorgte für willkürliche Entscheidungen ohne Rücksicht auf fachliche Verdienste. Die Universitätsbibliothek Leipzig verlor aufgrund der rassistisch angelegten Gesetze für den öffentlichen Dienst wohl nur eine 1938 entlassene Mitarbeiterin, deren wiederaufgefundene Briefe das Bild eines der Zeit entrückten bibliothekarischen Weiterarbeitens zeichnen.
Zum bibliothekarischen Weiterarbeiten gehörte die Reform der Kataloge: Ab 1940 wurde jedes neu aufgenommene Buch nach Eingang mit einer laufenden Nummer (numerus currens) versehen und so auch aufgestellt. Die alten Fachsignaturen aus dem frühen 19. Jh. waren damit nicht mehr für die Aufstellung maßgeblich. Der neue alphabetische Katalog für alle Neuerscheinungen wurde bereits ab 1930 auf kleinformatigen Zetteln im internationalen Katalogformat geführt, die in Karteikästen zugänglich waren und den Preußischen Instruktionen folgten (Katalog geführt bis 1975). Gleichfalls auf Zetteln im internationalen Format wurde 1939 ein neuer systematischer Katalog in Kraft gesetzt ("Neuer Sachkatalog"), der – mit zahlreichen Überarbeitungen – bis 1995 gültig blieb, als man die Regensburger Verbundklassifikation als Ordnungsschema einführte.
Keinesfalls aber kann der Blick auf das bloße Weiterarbeiten die Besonderheiten der Zeitumstände verbergen; selbst Direktor Glauning hat in dem 1942 posthum veröffentlichten Bericht über seine Amtszeit, wiewohl notwendig geschönt, einiges angesprochen. Ob und in welchem Ausmaß in der Zeit zwischen 1933 und 1945 Bücher in unrechtmäßiger Weise, etwa aus beschlagnahmtem Besitz, in die Universitätsbibliothek gelangten, ist bisher nicht eingehend erforscht. Glauning berichtet von Büchereinlagerungen der Leipziger Polizei, die aber wohl nicht alle dauerhaft waren. Im vorhandenen Bestand fanden umfassende Separierungsaktionen statt, zunächst als Zusammenstellung verbotener Bücher (Libri prohibiti), dann auch durch Markierung der Bücher im Regal. Die Katalognachweise wurde entsprechend gekennzeichnet. Mit den Bücherverbrennungen waren bereits 1933 unliebsame Autoren benannt worden, ab 1934 gab es offizielle Listen "des schädlichen und unerwünschten Schrifttums", dessen Ausleihe nicht mehr einfach möglich war. Zudem wurde die Beschaffung ausländischer Literatur ab 1937 reglementiert und von der Geheimen Staatspolizei kontrolliert.
Nicht nur im Bestand, auch in der Benutzung wurden ideologisch motivierte Maßnahmen wirksam, denn vom allgemeingesellschaftlichen Terror waren auch Benutzer der Bibliothek betroffen, die als jüdisch deklariert wurden und keinen Zutritt mehr erhielten.
Die Kriegsvorbereitungen führten ab 1937 zu Baumaßnahmen, die das Untergeschoss der Bibliotheca Albertina als Luftschutzkeller tauglich machen sollten. Nachdem die Bombenabwürfe im Dezember 1943 die Universitätsbibliothek weitgehend verschont hatten (es gab nur einen kleinen Treffer, während beispielsweise die Stadtbibliothek am Neumarkt vollständig abbrannte, dabei ca. 250.000 Werke verlor und nur ihre besonders geschützten Sondersammlungen behielt), wurde die Auslagerung der kompletten Bestände forciert.
Schon ab 1941 waren Vorbereitungen getroffen, sehr wertvolle Bücher (Handschriften und Rara) an verschiedenen Orten (Frohburg, Mügeln, Colm, Mutzschen, Rochlitz, Oberlödla, Leißnig) in Amtsgerichten und Schlössern unterzubringen. Auf Fotos von 1943 und 1944 sind Bibliotheksmitarbeiter zu sehen, wie sie Teile der insgesamt 1,4 Millionen Bücher per Hand in den Keller bringen und dabei von Bibliotheksdirektor Prinzhorn und Bibliothekar Mogk beobachtet werden. Die meisten Bücher wurden dann in die Auslagerungsstätten gefahren, etwa in das Salzbergwerk Plömnitz oder (die meisten) in die Kellergewölbe des Völkerschlachtdenkmals. Sowohl für das Be- wie für das Entladen wurden Zivil- und Kriegsgefangene eingesetzt.
Der Bombenabwurf vom 6. April 1945, der das Gebäude der Bibliotheca Albertina zu zwei Dritteln zerstörte, konnte den Beständen also nichts anhaben. Allerdings sind nicht alle Bücher aus den Auslagerungsstätten unbeschadet oder vollständig zurückgekommen; der Verlust beträgt ca. 43.000 Bände und damit ca. 3 % des Gesamtbestandes. Nachdem 1958 von der Sowjetunion Teilbestände, die in Mutzschen ausgelagert waren, wieder nach Leipzig gegeben wurden, müssen heute als Verluste die folgenden Teilbestände beklagt werden: 313 Inkunabeln, darunter das Papierexemplar der Gutenbergbibel, 254 Briefe an Erasmus von Rotterdam, die Schiller-Bibliothek Dürr, Teile der Hirzel-Bibliothek, 16 Kisten der Kartensammlung sowie Teile der Münzsammlung.
Bibliothekare 1933–1945: Nach dem krankheitsbedingten Ausscheiden Glaunings 1937 übernahm Egon Mühlbach (geb. 1885) als Interimsdirektor die Leitung (1937–1939) und anschließend Fritz Prinzhorn (1893–1967, Amtszeit 1939–1945). Prinzhorn, Mitglied der NSDAP seit 1933, widmete sich stark der wissenschaftlichen Dokumentation. Nach dem Kriege gibt es mehrere Jahre lang keine Nachrichten von ihm; ab Juli 1949 arbeitete er am Aufbau einer Bibliothek in Bremen und fand ab 1951 in der Bibliothek des Auswärtigen Amtes der Bundesrepublik Deutschland in Bonn eine Anstellung.