Vierte Periode (1946–1991)
Mit Wiederöffnung der Universität am 5. Februar 1946 nahm auch die Bibliothek den Ausleihbetrieb wieder auf. Ende 1946 waren die Bestände aus den Auslagerungsorten zurück und ca. 600.000 Bände benutzbar, die Nachfrage blieb jedoch gering; der Jahresbericht 1946 meldet für April bis November etwas über 3.000 im Lesesaal benutzte und ebensoviel nach Hause entliehene Bände. Wegen des Kriegsschadens am Hauptgebäude der Universitätsbibliothek verlagerte sich in den folgenden Jahrzehnten die Nutzung aktueller Literatur vielfach in Instituts- und Sektionsbibliotheken. Viele Wissenschaftler arbeiteten in der DDR-Zeit lieber in der Deutschen Bücherei (gegr. 1913), die auch nach Einbau eines dritten Lesesaals fast immer überfüllt war.
Welchen Umfang die Aufstellung der universitären Buchbestände nach dem sogenannten zweischichtigen System hatte, zeigt der 1957 eingerichtete Zentralkatalog, der zunächst nur die Medien der Leipziger Universitätsinstitute erfasste. Er verzeichnete schließlich den Buch- und Zeitschriftenbestand von 62 Bibliotheken aus dem Bezirk Leipzig und besaß im Jahr 1975 einen Umfang von 580.000 Titeln. Im Zuge der Dritten Hochschulreform erhielt die Universität 1968 eine neue Bibliotheksordnung, nach der alle Buchbestände der Universität Eigentum der Universitätsbibliothek Leipzig sind (sogenanntes einschichtiges System); es wurden damit die Instituts- und Fakultätsbibliotheken zu Außenstellen und Studienbibliotheken.
Einer Umstrukturierung der Bibliothekslandschaft verdankt die Universitätsbibliothek Leipzig auch den geretteten Sondersammlungsbestand der Stadtbibliothek, der den Krieg überstanden hatte und 1960 in die Albertina übergeben wurde, darunter ca. 1.800 Handschriften, 690 Inkunabeln, ca. 14.000 Autographen, eine Sammlung Leipziger Drucke des frühen 16. Jh.s und die Bibliothek der Deutschen Gesellschaft, im 18. Jh. unter Gottsched zusammengetragen.
Eine Verbesserung der Benutzung brachte die ins neue Universitätsgebäude am Karl-Marx-Platz (vor 1953 und nach 1990 Augustusplatz) eingebaute und im Oktober 1978 eröffnete "Zweigstelle 1" mit über 500 Arbeitsplätzen vor allem für die geistes- und gesellschaftswissenschaftlichen Disziplinen. Konzipiert für einen Maximalbestand von 500.000 Bänden und ausgestattet mit drei Lesesälen, besaß diese größte Zweigstelle der Universitätsbibliothek eine systematisch aufgestellte Lehr- und Fachbuchsammlung mit eigenen sowohl alphabetischen wie sachlichen Katalogen. Alle zentralen bibliothekarischen Dienstleistungen aber wurden nach wie vor im Hauptgebäude an der Beethovenstraße erbracht, wo die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter oft mit inadäquaten Räumlichkeiten zu kämpfen hatten. Mit Eröffnung der Zweigstelle 1 wurde dort und in der Hauptbibliothek übrigens die elektronische Ausleihverbuchung eingeführt, ein mit dem Rechenzentrum entwickeltes System, das von anderen Bibliotheken später nachgenutzt wurde.
Nachdem in den erhaltenen Bereichen und den bis 1950 zum Teil wieder aufgebauten Räumen der Gesamtbestand benutzungsfähig aufgestellt war, normalisierte sich der Betrieb, wobei der alte Zeitschriftenlesesaal (Westseite im Erdgeschoss) als Hauptlesesaal genutzt wurde. Magazinausbauten innerhalb der Teilruine dauerten bis 1955, führten aber zu keinem befriedigenden Ergebnis, denn die Räume, in denen Bücher gelagert wurden, blieben in etlichen Bereichen zu feucht, so dass die massive Schimmelbildung, die in den Kellern des Völkerschlachtdenkmals und an anderen Auslagerungsorten begonnen hatte, sich fortsetzte und verstärkte.
Die Markierung eines Teilbestands als "verbotene Literatur" in der NS-Zeit wurde rückgängig gemacht, dafür aber eine neue negative Auswahl getroffen und mit einer gelben Raute alle Bücher markiert, die vom Autor oder vom Inhalt her als gefährlich galten. Man erweiterte die Sachgruppe der aus Bestandsschutzgründen separierten Literatur und nahm dort auch "nur bedingt verleihbare" Literatur auf, die durch ein "bv" kenntlich gemacht wurde. Dafür wurde die traditionelle Kategorie der "libri sepositi" für schützenswerte Bücher benutzt. Schon Glauning hatte ausgeführt: "Bei den L. sep. sind Werke sehr verschiedener Art unter sehr verschiedenen Gesichtspunkten zusammengekommen; sie sind teils wegen ihrer Seltenheit an sich, teils wegen handschriftlicher Einträge ihrer Vorbesitzer, teils wegen politischer, teils wegen moralischer Anstößigkeit aus dem Verkehr gezogen worden."
Die Markierung eines Teilbestandes hatte, anders als in der NS-Zeit, kein Äquivalent in der Verfolgung bestimmter Nutzergruppen, geschah aber ebenfalls in erzieherisch-bevormundender Absicht einer Einschränkung freier Zugänglichkeit. 1946 musste der gesamte Bestand gemäß der "Liste der auszusondernden Literatur" durchgesehen werden, wonach mindestens 7.000 Bände aus dem Bestand genommen und an die Deutsche Bücherei verbracht sowie weitere fast 3.000 im Hause separiert wurden. Ein im Jahr 1959 herausgegebener Benutzungsführer bringt unter "4. Benutzungseinschränkungen" die Ausführung: "Aus politischen oder ideologischen Gründen nur bedingt verleihbare Literatur bedarf der persönlichen Einholung der Benutzungsgenehmigung bei dem zuständigen wissenschaftlichen Bibliothekar, dem eine Befürwortung durch den Institutsleiter oder eine gesellschaftliche Organisation vorzulegen ist." Unter der Erläuterung der "Auskunft" heißt es im gleichen Sinne: "Eine der vornehmsten Aufgaben der Auskunftserteilung besteht in einer sorgfältigen von parteilichen Prinzipien getragenen Auswahl der zu empfehlenden Literatur und in einer von diesem Gedanken durchdrungenen Anleitung für den Benutzer, damit er selbständig mit dem in der Bibliothek vorhandenen Hilfsmitteln umzugehen lernt."
Innerhalb der Bibliothek war ein jahrelang außerhalb des Stellenplans tätiger wissenschaftlicher Mitarbeiter für die Separierung der als ideologisch unverträglich eingeschätzten Literatur, die man auch von den Mitarbeitern selbst fernzuhalten versuchte, verantwortlich. Die Politik der sogenannten "Prüfstelle" hat sich in den Jahren nach 1959 durchaus noch verschärft. Die Liste der auszusondernden Bestände, die 1946 bereits 526 Seiten umfasste, wurde 1952 um 785 Seiten Nachträge ergänzt und behielt bis zum Ende der DDR ihre uneingeschränkte Gültigkeit. Bibliothekare 1946–1991: Die Zeit nach 1945 kennt als Bibliotheksleiter Otto Kielmeyer (geb. 1906, Amtszeit Januar–Dezember 1946) und Karl Buchheim (1889–1982, Amtszeit 1948–1950), der an Helmut Mogk (1896–1973, Amtszeit 1950–1958) übergab, welcher seit 1927 an der Universitätsbibliothek gearbeitet hatte und ab 1950 dann ein knappes Jahrzehnt lang die Leitung übernahm.
Weitere Direktoren waren: Johannes Müller (1904–1976, Amtszeit 1959–1969), Fritz Schaaf (1926–1999, Amtszeit 1969–1986), Bodo Mewes (geb. 1940, führte als stellvertretender Direktor für den erkrankten Fritz Schaaf die Geschäfte seit 1985 bis 1986), Bernd Rüdiger (Amtszeit 1986–1990) und Dr. Dietmar Debes (1925–1999), der von Oktober 1990 bis April 1992 als Direktor ad interim die Universitätsbibliothek Leipzig in der Übergangsphase leitete und die Reorganisation des Hauses sowie den Wiederaufbau auf den Weg brachte.