Du mit Deinem Album! Stammbücher in der Universitätsbibliothek Leipzig
Was sind Stammbücher
Der seit etwa 1570 gebräuchliche Ausdruck „Stammbuch“ bezeichnet in der Frühen Neuzeit ein personalisiertes kleines Buch, später in anderen Formen bekannt als Poesiealbum. Die Anfänge der Stammbücher gehen auf den Reformator Philipp Melanchthon zurück, der gern Widmungen in die Exemplare seiner Bücher schrieb, die ihm seine Wittenberger Studenten gaben. Bald kamen Bücher mit Leerseiten in Umlauf, worin sich Professoren und Mitstudenten eintrugen, und die auch unter Fürsten und Adligen beliebt waren.
Man schrieb Angaben zu Ort und Datum ins Buch, natürlich die eigene Unterschrift und oft einen sorgfältig ausgewählten Sinnspruch. Manchmal kam noch eine Illustration hinzu, die auch sehr kunstvoll ausfallen konnte.
In der Goethezeit waren Silhouetten beliebt, aber es kamen auch freiere Kunstformen wie die Collage auf. Das Stammbuch stand um 1800 noch einmal in voller Blüte, bevor 1819 das Verbot der Burschenschaften auch ihr Ende einleitete. Denn Stammbücher wurden – oft mit bösen Folgen für die darin verewigten Freunde – von der Polizei beschlagnahmt. Nun sind es hauptsächlich Historiker, die sich für die alten Freundschafts- und Gelehrtennetzwerke interessieren.
Wie bei Facebook heute sind die Inhalte der Stammbücher nicht immer hochgeistig. „Man verräth Thorheit und andere Laster durch diese zierlich gebundenen Bücher“, heißt es im 39. Band von Zedlers „Großem vollständigen Universal-Lexicon“ 1744. Unter Rückgriff auf die antike Philosophie trug der Leipziger Kinderbuchautor Christian Felix Weiße (1728-1804) in ein Stammbuch ein: „Ein weiser Mann dehnt für sich die Spanne seiner Lebenszeit aus: Das frühere Leben genießen zu können heißt, zweimal zu leben“.
Stammbücher in der UB Leipzig
Die Universitätsbibliothek bewahrt 117 Stammbücher auf. Diese kamen hauptsächlich durch Nachlässe von Professoren in die Bibliothek, wie zuletzt zwei Stammbücher aus dem frühen 19. Jahrhundert im Nachlass des Leipziger Kulturphilosophen Klaus Christian Köhnke. Auch in den Beständen der alten Leipziger Ratsbibliothek, deren Schätze seit den 1960er Jahren in der Bibliotheca Albertina verwahrt werden, befinden sich einige Stammbücher, die insgesamt sehr selten sind. Es handelt sich um Handschriften, von denen jeweils nur ein Exemplar existiert.
Die Erschließung der Stammbücher ist komplex, weil auf jeder Seite Namen stehen und Angaben gemacht werden, die für das jeweilige Freundes- und Kollegennetzwerk wichtig sind. Als historische Quellen sind sie herausragende Zeugnisse, die für das Verständnis vielfältiger Kontexte unentbehrlich sind.
Die Ausstellung ist bis zum 23. November 2014 täglich von 10–18 Uhr geöffnet.
Der Eintritt ist frei.
Text: Steffen Hoffmann