Universitäre Sammlungen
Die Erstausgabe des seltenen Werks von Nikolaus Kopernikus über die Planetenbahnen (1543) ist zusätzlich wertvoll durch handschriftliche Anmerkungen des Astronomen Johannes Kepler. Die Universitätsbibliothek hält heute mit 25.000 Werken einen herausragenden Bestand für das 16. Jahrhundert.
Zu sehen ist (Slider, Abb. 1) aus dem 5. Buch das 4. Kapitel, das sich mit der Frage beschäftigt, warum die Eigenbewegungen der Planeten ungleichmäßig erscheinen. Da die Erde mit größerer Geschwindigkeit und auf näherer Bahn um die Sonne kreist als etwa Jupiter, überrundet die Erde den Planeten Jupiter. Dies sieht am Nachthimmel so aus, als ob Jupiter seine Bewegungsrichtung ändere. Dieses Phänomen wird auch Planetenschleife genannt. In einem geozentrischen Weltbild (bei dem die Sonne um die Erde kreist) war diese Erscheinung eigentlich unerklärbar.
Man versuchte, das Phänomen mit Hilfe einer komplizierten Epizyklentheorie zu erklären, die besagte, dass die Planeten auf ihrer Umlaufbahn um die Erde noch eine gesonderte Kreisbewegung um einen Mittelpunkt vollziehen, der der eigentliche Trabant der Erde ist. Diese Epizyklentheorie war so kompliziert, dass viele – nicht nur der polnische Astronom Nikolaus Kopernikus (1473–1543) – diese Theorie aus der Welt schaffen wollten. Obwohl er das heliozentrische Weltbild entwickelt hatte, musste Kopernikus – weil er von kreisförmigen Planetenbahnen ausging – immer noch eine abgespeckte Version der Epizyklentheorie annehmen. Erst Johannes Kepler (1561–1630) konnte mit der Entdeckung, dass sich die Planetenbewegung auf elliptischen Bahnen vollzieht, ganz auf die Epizyklen verzichten.
Die Abbildung auf der Seite 142 zeigt, wie Kopernikus' die Planetenschleifen (weg-)erklärt. Es sind die Umlaufbahnen zweier Planeten (Außenkreis und Innenkreis) zu erkennen und die Epizyklen (kleine Kreise auf dem Außenkreis), die der äußere Planet scheinbar vollzieht. Die handschriftlichen Bemerkungen stammen von Kepler. Er notiert, dass es einen Unterschied mache, ob als Mittelpunkt des dargestellten Systems die Sonne oder ein sonnennaher Punkt angenommen wird. Weil es die Sonne in den Mittelpunkt des Universums stellt, gilt dieses Buch von Kopernikus als Meilenstein der modernen Wissenschaft. Ganz besonders wertvoll ist das Leipziger Exemplar, weil es als Vorbesitzer Kepler hat, der die Astronomie durch den Nachweis der elliptischen Umlaufbahn der Planeten weiter revolutionierte und das heliozentrische Weltbild durchsetzte.
Das an der Universitätsbibliothek aufbewahrte Exemplar von Kopernikus' Werk ist das Handexemplar von Johannes Kepler. Ursprünglich gehörte es dem Nürnberger Ratsherren Hieronymus Schreiber. Es wurde ihm vom Drucker des Buches, Johannes Petreius, geschenkt. Der Schenkungsvermerk befindet sich am unteren Rand des Titelblattes: D. Hieronymo Schreiber, Petreius dd [dono dedit] 1543.
Schreiber vermerkte zudem handschriftlich, dass das anonyme Vorwort des Werkes nicht von Kopernikus, sondern von dem Theologen Andreas Osiander stammt. Dieser hatte Kopernikus vorgeschlagen, sein revolutionäres heliozentrisches Weltbild als eine Arbeitshypothese darzustellen. Dadurch sollte die kirchliche Zensur getäuscht und die Brisanz der Entdeckung verschleiert werden. Kopernikus lehnte diesen Vorschlag ab. Als nach dem Tode des Kopernikus sein Buch in Nürnberg gedruckt wurde, gelang es Osiander als Herausgeber, dem Text ein anonymes Vorwort beizugeben, worin das neue Weltbild als bloße Hypothese dargestellt wurde. Durch Schreibers Hinweis auf den wahren Verfasser des Vorwortes erfuhr Kepler, als er in den Besitz des Exemplars kam, dass Kopernikus seine Entdeckung keineswegs nur als Rechenmodell vorschlug. Sowohl Schreiber als auch Kepler haben das Buch intensiv studiert, wie an zahlreichen handschriftlichen Randbemerkungen der beiden erkennbar ist.
Wann und auf welchem Wege das Keplersche Exemplar an die Universitätsbibliothek gelangte, ist nicht bekannt. Man weiß aber, dass schon im Erscheinungsjahr des Werkes, also im Jahr 1543 ein Exemplar von dem Leipziger Professor Leonhard Wolff für die Bibliothek der Philosophischen Fakultät erworben wurde. Später hat man dieses Exemplar der Kopernikusschrift als Dublette verkauft. Den Kaufvermerk des Leonhard Wolff trennte man vor dem Verkauf heraus und klebte ihn in das Keplersche Exemplar ein.
Übrigens lehrte an der Universität Leipzig ein direkter Schüler von Kopernikus. Zweimal nämlich – zwischen 1542 und 1545 sowie 1549 und 1551 – unterrichtete hier Georg Joachim Rheticus (1514–1574) als Professor für Mathematik und Astronomie. Rheticus war nach mehreren Berichten auch derjenige, der Kopernikus zur Veröffentlichung seines Hauptwerks ermunterte.
(Slider, Abb. 2) Seit Gründung der Universität Leipzig 1409 waren Bücher in Gebrauch, seit der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts auch gedruckte. Bibliotheken der vier Fakultäten Theologie, Medizin, Rechtswissenschaften und Philosophie existierten an verschiedenen Stellen der über die Stadt verstreuten Universitätseinrichtungen. 1543 gründet der damalige Rektor Caspar Borner (1492–1547) offiziell die Universitätsbibliothek, um Buchbestände der während der Reformation aufgelösten Klöster aus Leipzig und Umgebung aufzunehmen. 1682 dann wurden die Fakultätsbibliotheken mit der Universitätsbibliothek vereinigt.
Das sogenannte Mittelpaulinum beherbergte die Universitätsbibliothek von 1543 bis 1891. Aus der 'Bibliotheca Paulina' – auch 'Pauliner-Bibliothek' oder 'Academische Bibliothek' genannt – konnten interessierte Wissenschaftler Bücher entleihen. Die Universitätsbibliothek war schon Mitte des 16. Jahrhunderts die größte Bibliothek in Sachsen, mit etwa 6.000 Drucken und rund 750 Handschriftenbänden. Im Jahr des Neubaus 1891 lag der Bestand bei 440.000 Bänden, nach dem Jahr 2000 bei über 5 Millionen Bänden.
Desiderius Erasmus: Novum Instrumentum [Neues Werkzeug], Basel: Froben, 1516 (Slider, Abb. 3)
[Biblia 41]
Erasmus widmete diese Bibelausgabe Papst Leo X. Der Widmungsbrief ist mit Randleisten verziert, die typisch für die Formensprache der Renaissance sind: Putten, Delphine, Füllhörner, Fabelwesen. Mit solcherart Buchschmuck war bisher noch keine Ausgabe des Neuen Testaments erschienen.
Erasmus von Rotterdam (1465–1536) ließ den griechischen Text des Neuen Testaments unter dem Titel 'Novum Instrumentum' [Neues Werkzeug] erscheinen. Er zielte auf eine Ausgabe mit einem gut rekonstruierten griechischen Text. Erasmus arbeitete sehr schnell, um dem spanischen Kardinal Francisco Ximenes de Cisneros (1436–1517) zuvorzukommen, der an einer ähnlichen Bibelausgabe saß. 1519 erschien eine verbesserte Auflage des Werks von Erasmus, das dann Luther als Grundlage seiner Übersetzung der Bibel ins Deutsche nutzte.
Das Buch stammt aus der Bibliothek des Jenaer Medizinprofessors Johannes von Schröter (1513–1593). Wahrscheinlich gelangte das Buch unmittelbar nach seinem Tod 1593 in die Universitätsbibliothek.
Johann Jacob Scheuchzer: Physica sacra [Heilige Physik], Band 1, Augsburg, 1731 (Slider, Abb. 4)
[Exeg. App. 145:1, Tafel 14]
In der vorliegenden Abbildung sind nicht nur verschiedene Vogelarten, sondern es ist auch ein Vogelembryo abgebildet. Der Kupferstich gehört zu einem Werk, das die Bibel illustriert, und dabei nicht nur jede Tiergattung darstellt, sondern darüber hinaus wissenschaftliche Informationen liefert.
Der Zürcher Gelehrte Johann Jakob Scheuchzer verband in seinem vierbändigen Werk zur 'heiligen Physik' Naturkunde mit Bibelforschung. Die Größe Gottes sah er sowohl in der wissenschaftlichen Untersuchung wie in der frommen Betrachtung der Natur durch ihre Schönheit und Vielfalt bewahrheitet. Mit über 2.000 Seiten Umfang und mit fast 800 hochwertigen Kupferstichen gilt Scheuchzers Bibelkommentar als eines der bemerkenswertesten Druckwerke des 18. Jahrhunderts und als Grundlagenwerk der sogenannten Physikotheologie.
1840 erwarb der Leipziger Ratsherr Otto Moritz Stübel (1797–1849) die Physica sacra von einem unbekannten Vorbesitzer. Die Erben Stübels schenkten das Werk nach seinem Tod der Universitätsbibliothek.
Die geuerlichkeiten und einstweils der geschichten des löblichen streitbaren und hochberühmten Helds und Ritters herr Tewrdannckhs, Nürnberg: Johann Schönsperger d. Ä., 1517 (Slider, Abb. 5)
[39-7-1006]
Der Ritter Theuerdank muss Abenteuer bestehen, weil ihm Widersacher Fallen stellen und Hindernisse in den Weg legen. So zeigt das Bild mit der Nr. 73, wie der missgünstige Unnfalo die hölzerne Stube anzündet, in der sich Theuerdank ausruht. Glücklicherweise erwacht Theuerdank noch rechtzeitig: 'Dann von natur schlieff leys der man / Er sprang bald von dem pet herfür / Gleich stieß er auf die cammer thür / Khein laid den helden nit beschah.'
Der Theuerdank ist ein Ritterroman in der Form einer Verserzählung, wahrscheinlich von Kaiser Maximilian I. selbst verfasst. Darin wird weitläufig die Brautfahrt des Ritters Theuerdank geschildert, der das Fräulein Ernreich freien will.
Unter den von Kaiser Maximilian I. angeregten bibliophilen Drucken ist dies der bedeutendste. Der Druck ist mit 118 Holzschnitten von Hans Schäufelin, Hans Burgkmair und Leonhard Beck ausgestattet. Eigens für dieses Werk wurde eine Drucktype entworfen, die der kaiserlichen Kanzleischrift ähnelt und Vorbild für die spätere Frakturschrift wurde.
Das Buch wurde von der Universitätsbibliothek 1939 antiquarisch erworben.
Peter Apian: Astronomicum Caesareum [Kaiserlicher Atlas zur Astronomie], Ingolstadt: Georg und Peter Apian, 1540 (Slider, Abb. 6)
[Libri. sep. 12]
Diese Sternenkarte steht noch in der Tradition der antiken Astronomie. Sie zeigt die 48 Sternbilder mit 1.025 Sternen, die es nach tradierter Zählung gibt, als ob man von außen auf eine Kugel schauen würde. In späteren Himmelskarten wird die entgegengesetzte Ansicht gewählt, nämlich der Blick von innen, so wie sich die Sterne dem menschlichen Auge am Nachthimmel präsentieren.
Peter Apian (1495–1552) war Hofmathematiker Kaiser Karls V. und Professor an der Universität Ingolstadt. Dort druckte er in eigener Werkstatt mathematische und kartographische Literatur. Sein Hauptwerk, sowohl als Astronom wie auch als Drucker, ist der 'Kaiserliche Atlas zur Astronomie', ein Grundlagenwerk zur Himmelskunde. Das Werk ist mit 41 vielfarbigen ganzseitigen Figuren ausgestattet, darunter 21 mit beweglichen Scheiben.
Das Exemplar der Universitätsbibliothek stammt aus dem Altbestand der Philosophischen Fakultät und wurde 1542 durch den Dekan Ambrosius Lobwasser erworben.
Edward Kelley: Schriften, ohne Ort und Jahr (Slider, Abb. 7)
[Ms 0398]
Hier wird ein chemischer Prozess in einer Folge von farbenprächtigen Bildern erklärt. Schritt für Schritt werden die Wandlungsvorgänge in der Retorte benannt und bildlich dargestellt. Der Abschluss des chemischen (damals genannt: alchimistischen) Prozesses ist die Fixation, die Verfestigung. Sie wird durch einen Cherubim dargestellt, der eine Krone hält.
Der Autor Edward Kelley (1555–1597) war einer der bekanntesten englischen Alchimisten des späten 16. Jahrhunderts. Er wurde von Kaiser Kaiser Rudolf II. in die Residenzstadt Prag eingeladen. Da es aber Kelley nicht – wie erhofft – gelang, Gold herzustellen, fiel er in Ungnade und wurde auf Burg Pürglitz in der Nähe von Prag inhaftiert. Kelley starb dort im Jahre 1597, sein Ende wird von verschiedenen Legenden umrankt: Er soll bei einem Fluchtversuch umgekommen sein oder im Gefängnis Selbstmord begangen haben.
Die Handschrift gehörte ursprünglich Kaiser Rudolf II. Auf unbekannten Wegen gelangte sie 1838 in den Besitz von Hermann Leyser (1811–1843), der als Bibliothekar an der Universitätsbibliothek Leipzig beschäftigt war. Das Buch kam mit seinem Nachlass in die Universitätsbibliothek.
Ein Kosmos des Wissens. Weltschrifterbe in Leipzig (Katalog zur gleichnamigen Ausstellung in der Bibliotheca Albertina 26. März bis 31. Mai 2009), hg. v. Ulrich Johannes Schneider, Leipzig 2009
Das Buch in Antike, Mittelalter und Neuzeit. Sonderbestände der Universitätsbibliothek Leipzig, hg. v. Thomas Fuchs, Christoph Mackert und Reinhold Scholl, Wiesbaden 2012 (Schriften und Zeugnisse zur Buchgeschichte 20)
Faksimile-Ausgabe von De revolutionibus aus dem Bestand der Harvard Universität
Deutschsprachige Übersetzung 'Über die Kreisbewegungen der Weltkörper' bei Wikisource
Kurze wissenschaftshistorische Einführung auf der Webseite der Kepler-Gesellschaft
Handbuch der historischen Buchbestände, Artikel Leipzig: Universitätsbibliothek Bibliotheca Albertina – Hauptbibliothek