Schauraum Papyrus Ebers
Die Universitätsbibliothek Leipzig bewahrt die größte und einzig vollständig überlieferte medizinische Papyrusrolle Altägyptens auf, die der Leipziger Ägyptologe Georg Ebers 1873 für die Universitätsbibliothek erworben hatte. Ebers ließ 1875 den in hieratischer Schrift geschriebenen Text drucken.
Seit 2017 ist der komplette Text mit Übersetzung aller Rezepte auf Deutsch und Englisch online. Seit 2021 kann eine Replik der 18,63 m langen Papyrusrolle in einem eigenen Schauraum im Foyer der Bibliotheca Albertina besichtigt werden. (Publikation zum Schauraum Papyrus Ebers)
Über Georg Ebers
Georg Ebers studierte zunächst Rechtswissenschaften in Göttingen. Seit 1860 besuchte er die Veranstaltungen des Berliner Ägyptologen Richard Lepsius. 1862 erfolgte die Promotion über Memnon und die Memnonsage. Anschließend unternahm er Bildungsreisen in Europa. Ebers wollte immer beides sein, auf der einen Seite ein angesehener Wissenschaftler und Hochschullehrer, auf der anderen ein erfolgreicher Romanautor. Im Jahr 1865 wurde er in Jena zum außerordentlichen Professor ernannt, wechselte dann 1870 nach Leipzig und übernahm die neu eingerichtete Ägyptologie.
Ab 1876 war Ebers öfter krank und verlegte seinen Schwerpunkt auf die literarische Produktion. Seine Gesammelten Werke, zwischen 1893–1897 herausgegeben, umfassen 32 Bände. Davon enthalten 29 Bände Romane und Erzählungen sowie seine Autobiografie. Der literarische Wert der Romane ist umstritten. Die Gestalten und Helden seiner Romane agieren in historisch wichtigen und spannenden Umbruchszeiten, so spielen Handlungen etwa unter Pharao Ramses II. (Uarda, 1877) oder Kaiser Hadrian (Der Kaiser, 1881), in der Epoche der Auseinandersetzungen zwischen Christen und Nichtchristen (Homo sum, 1878) oder am Ende des Alten Ägypten (Serapis, 1885).
Ebers starb 1898 in München, wo auf dem Nordfriedhof ein Grab mit Büste (Slider, Abb. 1) an ihn erinnert.
Am 26. März 1873 schrieb Georg Ebers aus Kairo an den sächsischen Staatsminister Karl von Gerber:
„Ew. Excellenz werden sich wundern, wenn eine Kiste aus Aegypten für Sie anlangt, die mit sechszehntausend Francs versichert ist. Ich bin der Absender dieses Schatzes, den ich zu erwerben das Glück hatte. Der Consul räth mir, ihn gerade an das königliche Hausministerium zu senden, da er vor Gefahren gesichert werden muß, vor denen ihn selbst die Consulatssiegel keineswegs schützen.
Das Kistchen enthält den größten und schönsten Papyros, den Deutschland bisher besitzt, den drittgrößten von allen überhaupt vorhandenen. Er ist so wohl erhalten, dass ihm auch nicht eine Seite fehlt, dass sich kein unlesbarer Buchstabe in ihm findet. Einhundert und zehn Seiten folgen einander auf der riesigen Rolle. Eine jede von ihnen enthält wenigstens zwanzig, ungefähr 8 Zoll lange Zeilen. Die Schrift ist von erstaunenswerther Schönheit und Festigkeit. Die Anfänge der Sätze hat der Hierogrammat [Schreiber] mit rother, den eigentlichen Text mit schwarzer Tinte geschrieben. Ich werde kaum irren, wenn ich die Abfassung des Papyros in die XVIII aegyptische Dynastie, das heißt in das siebzehnte Jahrhundert vor Christus verlege. Unser Document enthält nichts Geringeres, als ein Compendium der gesammten aegyptischen Medicin und beginnt mit den Worten: 'Anfang des Buches von den Krankheiten aller Glieder des Menschen', und nun folgen Beschreibungen aller denkbaren Leiden mit Recepten, welche der Arzt anzuwenden und Gebeten, die der Kranke zu sprechen hat. Den Augenkrankheiten sind allein 9 Seiten gewidmet. Auf der Rückseite befindet sich ein sehr werthvoller Kalender und ein Text, durch den wir erfahren, dass man unser Buch einem der ersten Könige von Aegypten zuschrieb. Später soll es zu Sechem zu Füssen einer Anubisstatue gefunden worden sein. [...]
Neben dem Papyros auf der Erde liegend (er musste mit großer Vorsicht aufgerollt werden) habe ich, ich kann wohl sagen mit furchtbarer Anstrengung Seite für Seite studirt und so den Inhalt des ganzen Werkes so weit erfasst, dass ich der Hauptsache nach seinen ganzen Inhalt übersehe. Dieser bietet das grösste Interessse, nicht nur für die Geschichte der Medicin. [...]
Gleich nach meiner Heimkehr denke ich an die Veröffentlichung des Papyros zu gehen; eine schwere, aber dankbare Arbeit. Die Publication des Documents kann schnell vor sich gehen; die Eruierung der Bedeutung jeden einzelnen Wortes wird Jahre in Anspruch nehmen.
Ich empfehle meinen Schatz bis zu meiner Heimkehr (Ende April) der gütigen Obhut Ew. Excellenz. Die Büchse mit dem mehr als 3000 Jahre alten, die grösste Vorsicht erheischenden, gebrechlichen Papyros darf nur von mir selbst geöffnet werden. Ich bitte noch angelegentlich das Kistchen an einen trockenen Ort zu stellen. Denn nichts verdirbt einen Papyros leichter, als Feuchtigkeit. [...]
Ausser den genannten Gegenständen ist es mir gelungen, so reiches neues urschriftliches Material zu erwerben, dass ich frohen Muthes sagen darf, dass ich die mir gütigst bewilligte Urlaubszeit nach besten Kräften ausgenutzt habe.
In vorzüglichster Ergebenheit.
Ihr gehorsamer Dr. Georg Ebers.
Ausserordentlicher Professor der Aegyptologie an der Universität zu Leipzig“
Zitiert nach Dietmar Debes: Zur Erwerbung des Papyrus Ebers, in: Weite Welt und breites Leben. Festschrift für K. Bulling (Zentralblatt f. Bibliothekswesen Beiheft 82), Leipzig 1966, S. 139-141.
Georg Ebers hat sich auch als Wissenschaftler mit „seinem“ Papyrus beschäftigt und in einer eigenen Publikation die verschiedenen Maßangaben der altägyptischen Rezepte untersucht (Georg Ebers: Die Gewichte und Hohlmaße des Papyrus Ebers, Leipzig 1889). Dort heißt es zum Abschluss: „Wo wir keine sichere Deutung für die Namen der vorgeschlagenen Medicamente gefunden, wird sie ein ? begleiten.“ Die Forschungen dazu sind auch heute noch nicht abgeschlossen.
Besonders die Augenrezepte hat Ebers eingehender analysiert und auch übersetzt; siehe hier die S. 295 aus: G. Ebers: Das Kapitel über die Augenkrankheiten im Papyrus Ebers, Leipzig 1889. Heute gelten manche Identifizierungen von Substanzen durch Ebers als fragwürdig.
1879 und 1880 erschienen zwei reich bebilderte Bände Ägypten in Bild und Wort, dargestellt von unseren ersten Künstlern, beschrieben von Georg Ebers. Dort schreibt er im ersten Band im Vorwort: „Woher kommt die wunderbare Anziehungskraft, welche dem alten Lande der Pharaonen eigen ist? Wie geschah es, dass sein Name, seine Geschichte, seine natürliche Beschaffenheit und seine Denkmäler in ganz anderen Beziehungen zu uns stehen, wie die der anderen Länder des Alterthums?“ Ebers nennt sich selber einen, „der das morgenländische Ägypten liebt und kennt“ und will „alles, was schön und ehrwürdig, was malerisch wirksam, was eigenthümlich und anziehend erscheint im alten und neuen Ägypten, zusammenführen für die Genossen unserer Zeit und der kommenden Tage zur Belehrung und Freude.“ 900 Seiten sind mit nahezu ebenso vielen Abbildungen ausgestattet.
In seinen Bildbänden blickt Ebers oft auf das antike Ägypten der Pharaonenzeit zurück und erwähnt auch (Bd. 2, S. 67) magische Praktiken als verbreitete zeitgenössische Methoden zur Heilung. Dabei fügt er einen Stich nach Leopold Carl Müller (1834–1892) bei, der Wahrsager zeigt, wie sie aus der Handfläche lesen und beraten. Ebers bestätigt, dass auch im Papyrus Ebers Zaubersprüche eine Rolle spielen, „und dennoch zeugen viele Abschnitte dieses Werkes für die vortrefflichen Kenntnisse ihrer Verfasser“.
- Der Papyrus Ebers ist seit 2016 mit IIIF-Technologie als digitales Faksimile online und kann hier angesehen werden: https://papyrusebers.de. Der gesamte Text ist dort in der deutschen Übersetzung durch Lutz Popko und in der englischen Fassung von Andrea Sinclair Rezept für Rezept aufrufbar.
- Ägyptisches Museum der Universität Leipzig